Liebe Gemeinde,
Pfingsten ist ein Fest, das uns an die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Jünger Jesu erinnert. Der Heilige Geist ist die Kraft Gottes, die uns befähigt, das Evangelium zu verkünden und die Liebe Gottes in der Welt zu verbreiten.
In der heutigen Zeit, in der viele Menschen mit Ängsten und Unsicherheiten konfrontiert sind, können wir uns an Pfingsten daran erinnern, dass der Heilige Geist uns zur Seite steht und uns den Mut und die Kraft gibt, die wir brauchen, um die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.
Pfingsten erinnert uns auch daran, dass wir Teil einer großen Gemeinschaft sind - der Gemeinschaft der Gläubigen. Der Heilige Geist ist die Kraft, die uns verbindet und uns dazu befähigt, füreinander da zu sein und einander zu unterstützen. Wenn wir uns auf den Heiligen Geist einlassen und uns von ihm leiten lassen, können wir uns sicher sein, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass wir als Gemeinde stark und vereint sind.
Lasst uns in dieser Pfingstzeit daran denken, dass der Heilige Geist uns begleitet und uns dazu befähigt, Gottes Liebe in der Welt zu verbreiten. Lasst uns einander unterstützen und füreinander da sein und uns dabei von der Kraft des Heiligen Geistes leiten lassen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine gesegnete Pfingstzeit!
Herzliche Grüße
Das geistliche Wort für diesen Gemeindebrief wurde dieses Mal nicht von einer menschlichen Intelligenz geschrieben, sondern von einer künstlichen. Ich habe das im Internet frei verfügbare Programm ChatGPT genutzt und beauftragt ein geistliches Wort zu Pfingsten zu schreiben. Künstliche Intelligenz (KI) wird z.Zt. ja sehr kontrovers diskutiert. Zu dieser Diskussion möchte ich an dieser Stelle nichts beitragen. Vielmehr interessiert es mich, was Sie von dem geistlichen Wort der KI halten. Hat es Ihre Erwartungen an ein geistliches Wort in unserem Gemeindebrief erfüllt? Oder vermissen Sie etwas? Und wenn ja, was? Über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen. |
Herzliche Grüße
Ihr Pfarrer Thomas Uecker
Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch!
Liebe Leserinnen und Leser!
Einmal im Jahr feiern wir in Dekanat und Gemeinde "Männergottesdienst". Das ist natürlich nicht nur ein Gottesdienst für Männer, aber mit einem Thema, was die Perspektive der Männer bzw. die Männer selbst besonders in den Blick nimmt. Im Januar haben wir uns in Frickhofen mit den Sorgen der Männer beschäftigt. Wir sind ausgegangen von dem Psalm "Mein Seufzen ist dir nicht verborgen (Psalm 38,10)" und haben unter dem Motto "Sorgende Männer, Sorgen der Männer, Sorgen um Männer" die Person des Mose genauer in den Blick genommen.
Mose, so erzählt die Geschichte, war derjenige, der in einer Rettungsaktion als kleines Kind in einem Binsenkörbchen im Nil ausgesetzt wird, von der Tochter des Pharao gefunden wird und dann am Königshof aufwächst. Als erwachsener Mann erschlägt er jedoch im Affekt einen ägyptischen Aufseher und muss, um sein Leben zu retten, fliehen. Er ist also ein straffällig gewordener Flüchtling, der seine Familie und sein soziales Umfeld verlässt, um irgendwo in der Fremde neu zu beginnen. Das gelingt ihm auch. Er baut sich weit genug weg von Ägypten eine neues Leben auf. Er findet eine Frau, er heiratet in eine Familie ein, er wird zu einem Schafhirten. Als er wieder einmal die Schafe seines Schwiegervaters Jitro
hütet, begegnet ihm Gott in einem Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt. Gott stellt sich Mose vor als "Ich bin, der ich bin".
Ein geheimnisvoller Gott zeigt sich da, der sich nicht festlegen lässt, der sich Mose und uns Menschen aber als Gott erweisen wird. Vor allem ist er ein Gott, der die Gerechtigkeit und die Freiheit liebt. Deswegen bekommt Mose den Auftrag, das Volk Israel in die Freiheit zu führen. Mose soll also zurück nach Ägypten gehen und den Pharao davon überzeugen, das Volk aus der Sklaverei zu entlassen. Und damit fangen die Probleme für Mose wieder an.
Die Jahre sind ins Land gegangen und er hat sich inzwischen wieder ein neues Leben aufgebaut. Er möchte gar nicht zurück. Wer weiß, was ihn da erwartet? Ob Totschlag verjährt? Er beginnt mit Gott zu diskutieren, er dreht und wendet sich: "Ich kann das nicht! Ich will das nicht! Die Verantwortung ist mir viel zu groß! Ich will diese Last nicht tragen. Ich konnte außerdem noch nie gut reden, geschweige denn mit dem Pharao verhandeln. Schick wen du willst, doch bloß nicht mich!" Mose muss es echt bis auf die Spitze getrieben haben - „ ... denn Gott wurde zornig“, heißt es zum Schluss.
Beide gehen mit einem Kompromiss auseinander. Mose wird sich auf den Weg machen; er nimmt sich letztendlich dieser Aufgabe an trotz aller Sorgen, die bleiben. Und Gott stellt ihm Hilfe an die Seite in Form seines Bruders Aaron; denn dieser kann gut reden, das ist seine Gabe. Gemeinsam werden sie diese Aufgabe meistern.
"Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch!", heißt es in den Psalmen. In der Geschichte von Mose Berufung wird dies deutlich. Wir tragen manche Sorgen und haben viele Aufgaben, die uns gestellt sind. Manchmal mag es uns zu viel sein oder wir fühlen uns dem nicht gewachsen. Die Last wiegt. Aber - Gott hilft uns auch.
Ihr Pfarrer Johannes Jochemczyk
Ganz unten
Liebe Leserinnen und Leser!
"Ganz unten", so der Titel des 1985 erschienenen Buches von Günther Wallraff, das Menschenrechtsverletzungen und Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland in den frühen 1980er Jahren darstellt.
Ganz unten war auch die Ägypterin Hagar. Denn sie war eine Sklavin, musste tun, was andere ihr befahlen und hatte selbst nichts zu sagen. Irgendwann hielt sie die Demütigungen nicht mehr aus und floh in die Wüste. Dort, in dieser lebensfeindlichen Umgebung, wurde sie gefunden; von einem Engel, von Gott.
Durch diese Begegnung wird ihr klar: Gott begleitet sie, Gott ist bei ihr, in jeder noch so schwierigen Lage. Gott versteht sie, Gott weiß, wie es ihr geht. Gott sieht sie an, nimmt sie wahr. "Du bist ein Gott, der mich sieht" - so nennt Hagar Gott.
Dieser Satz ausdem 1. Buch Mose (16,13) ist die Jahreslosung für 2023. Gesehen werden, ein Bedürfnis, das wir alle wohl kennen. Wahrgenommen werden, nicht übersehen werden. Gesehen werden, das heißt, jemand nimmt mich ernst. Ich bedeute ihm etwas. Ich bin ihm nicht gleichgültig. Jemand interessiert sich für mich und mein Wohlergehen. Wer mich ansieht, der meint wirklich mich. So hat Hagar Gott erlebt, so ist Gott ihr begegnet. Und so begegnet Gott auch uns. Gott sieht mich. Sein Blick zeigt, dass ich für Gott besonders bin, Ansehen habe. Gottes Blick zeichnet mich aus. Ebenso zeichnet Gottes Blick jeden anderen Menschen aus und macht ihn besonders. Die Jahreslosung ermuntert uns, uns und andere als so von Gott angesehen zu verstehen. Und damit andere auch so anzusehen. Wie Hagar mit ihrer Verletzlichkeit, ihrer Verzweiflung, ihrem Schmerz, ihrer Hilfsbedürftigkeit angesehen wurde, können auch wir achtsam sein auf die Verletzlichkeit, Verzweiflung, Schmerzen und Hilfsbedürftigkeit anderer. Und wiederum in dem Blick anderer Menschen auf uns, den Blick Gottes erfahren.
Schenken wir uns gegenseitig solche Augenblicke, solches Ansehen. Damit sagen wir uns gegenseitig: Ich interessiere mich für dich und dein Wohlergehen, du bist besonders und wertvoll.
Lassen wir uns also mal ansehen - von Gott und den Menschen, und dann: Sieh' mal an!
Ein gutes und ansehnliches Jahr 2023
Ihr Pfarrer Thomas Uecker
Ganz schön heiß
Liebe Leserinnen und Leser!
Es ist heiß.
Ich sitze im vergleichsweise kühlen Zimmer, schreibe diese Zeilen, und draußen brütet die Hitze. Dort ist es kaum auszuhalten.
Der Rasen hinter unserem Haus ändert so langsam sein Farbe von grün auf braun. „Schade“, denke ich, „wie im letzten Jahr.“ Dabei können wir uns noch glücklich schätzen - vertrocknet hier gerade nur der Rasen, vertrocknen in Italien ganze Flüsse.
Der Fluss Po ist stellenweise auf ein Rinnsal zusammen getrocknet. Italien erlebt die schlimmste Dürreperiode seit 70 Jahren, heißt es. Fachleute schätzen, dass dort 30-40% der Ernte ausfallen könnte. Ob es bei uns auch mal so heiß werden wird, dass der Rhein nur noch als Rinnsal fließt oder die Quelle der Lahn versiegt? Kaum vorstellbar! Aber hätten Sie sich andererseits vorstellen können, dass in unserer Gegend alle Fichten vertrocknen, wie es in den letzten zwei, drei Jahren passiert ist?
Jedes Jahr, so auch aktuell, hört man in den Nachrichten, dass es zu wenig geregnet hat, dass die Erde vor allem in den unteren Schichten zu trocken ist und die Bauern Ernteverluste zu erwarten haben. Was bei uns schon kritisch ist, entwickelt sich vor allem in den Ländern zur Katastrophe, die Lebensmittel importieren müssen, weil bei ihnen selbst einfach nichts mehr wächst. Der Krieg und der Weizenboykott verschärfen diese Not zusätzlich.
Diese Lage erinnert mich an eine Geschichte aus dem Alten Testament, sie spielt in Ägypten. Dem Pharao zeigen sich in einem Traum sieben fette Kühe, die aus dem Nil steigen und von sieben mageren Kühen, die ihnen folgen, verschlungen werden. Josef deutet diesen Traum, der nichts Gutes bedeutet: Nach sieben guten Jahren werden sieben Jahre Trockenheit folgen. Das ist eine bittere Nachricht für ein Land, das nur den Nil als Lebensader kennt.
Gott lässt den Pharao durch den Traum und mit Hilfe Josefs allerdings wissen, was passieren wird. So kann sich dieser darauf einstellen. Der Pharao erkennt dann auch die Zeichen der Zeit und beauftragt Josef, Maßnahmen zu treffen. Josef beginnt daraufhin zu handeln und organisiert die Lagerung und kluge Verteilung des Weizens für die nächsten 14 Jahre. Im Duktus der Geschichte ist Gott derjenige, der die Fäden in der Hand hält. Er sagt dem Pharao, was er vorhat. Er verantwortet die Hungersnot. Der Lauf der Welt ist sein Ding.
Heute stellt sich das etwas anders dar. Der Lauf der Welt scheint nicht mehr nur in Gottes Händen zu liegen. Er liegt doch vielmehr auch in unseren Händen. Zumindest wissen wir, dass wir selbst auch den Klimawandel mit zu verantworten haben. Alle miteinander! Durch unsere Art zu leben. Wir brauchen keine Träume mehr, um zu wissen, was passieren wird! Wir sehen es doch mit unseren eigenen Augen. Wir brauchen höchstens Visionen, um zu wissen, was wir tun können. Seien wir darum so klug wie der Pharao und so pfiffig wie Josef. Erkennen wir die Zeichen der Zeit und handeln wir, immer aber im Bewusstsein der Nähe und Bewahrung Gottes. Bleiben Sie behütet!
Ihr Pfarrer
Johannes Jochemczyk
Zwei Tische
Liebe Leserinnen und Leser!
Zwei Tische habe ich vor Augen, an jedem sitzt ein Verräter. Beide Tische sind mehrere Meter lang. An beiden geht es um Leben und Tod. Am ersten Tisch sitzen zwei Männer in sechs Meter Entfernung. Der eine kommt aus Russland. Der andere ist Franzose. Ein abstruses Bild aus dem Kreml, dass die meisten von uns kennen: Wladimir Putin und Emmanuel Macron. Später hat Putin auch Olaf Scholz an diesen Tisch geladen. Bereit zum Gespräch war Putin beide Male nicht. Auf dem Tisch ein verschwindend kleines Blumengesteck. Sonst nichts, nichts, was an diesem Tisch geteilt werden könnte: kein Brot, kein Wein, keine Hoffnung. Putin nutzt den Tisch, um größtmöglichen Abstand zu markieren. Bald nach diesen Treffen, am 24. Februar, bricht die Hölle los und himmelschreiendes Unrecht fordert den Tod von Unschuldigen.
Der zweite Tisch ist voll beladen: Das Passahlamm, die Bitterkräuter, Eier, Fruchtmus, Salzwasser, Brot und Wein. Dreizehn Männer teilen das alles, auch hier ist einer ein Verräter. Alle teilen und schmecken noch dieselbe Hoffnung: Dass die Todesmächte nicht den Sieg davontragen, dass Gott sein Volk in die Freiheit führt, wie er es vor Jahrhunderten schon einmal getan hat, damals in Ägypten. Bald auch nach diesem Treffen bricht eine Hölle los: Der Himmel verfinstert sich, der Vorhang des Tempels zerreißt und ein Unschuldiger schreit das Unrecht gen Himmel: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.
Im Internet habe ich dieser Tage ein Bild gefunden, das 15 Männer an einem langen Tisch zeigt: Die unversöhnten beiden Machtmänner aus Russland und Europa an den Stirnseiten, dazwischen drängen sich die dreizehn aus Da Vincis Abendmahl. Das sind wir. Abendmahl 2022. Alle an einem Tisch. Und wir mussten lernen:Auch heute noch gibt es Verräter, die Menschen und Länder aufs Kreuz legen. Verräter, die die Kriegsvorbereitung Militärmanöver nennen und das Kriegsverbrechen Sonderoperation. Und es gibt Menschen, die versuchen, noch Schlimmeres zu verhindern, durch weitere Gespräche, durch Boykotte, Waffenlieferungen. Dazwischen rücken Menschen zusammen in der Nacht des Verrats, verbünden sich untereinander, teilen das Brot, schmecken die Hoffnung, dass die Todesmächte nicht den Sieg davontragen. Das heißt christliche Gemeinde: mit den Hungrigen das Brot brechen und die Hoffnung teilen. Und mitten unter uns, in dieser zerrissenen Welt, an diesem zerschnittenem Tischtuch Christus, der sagt: Nehmt, esst, trinkt, stärkt einander. Mein Leib, mein Blut zur Vergebung der Sünden. Mein Leib und Blut, dass ihr Hoffnung schmeckt, dass das Blutvergießen aufhört, dass die Welt zusammenrückt mit einem Gott, der den Frieden will. Der Abendmahlstisch, der nicht nur zur Passionszeit in unseren Kirchen eine besondere Rolle spielt, ist mein Hoffnungsbild. Mein Gegenbild zu diesem gigantischen Tisch im Kreml. Er erinnert an ängstliche Menschen, die in der Nacht des Verrats zusammenkommen, sich verbünden und gemeinsam der Todesangst widerstehen, die das Brot teilen und zusammen fest daran glauben: Es kommt der Tag, an dem wir es in Frieden miteinander essen werden.
Ihr Pfarrer
Thomas Uecker
Offene Türen
Liebe Leserinnen und Leser!
Jeden Tag stehen wir vor verschlossenen Türen. Das gehört zu unseren Alltagserfahrungen. Alles kein Problem, wenn man seinen Schlüssel immer dabei hat. Umständlich, wenn wir ihn verloren oder in der Wohnung vergessen haben. Ärgerlich, wenn man in Haus, Wohnung oder Auto nicht mehr hinein kommt. Ebenso nervig, wenn wir ausgerechnet in der Mittagspause vor der Tür eines Geschäftes stehen oder die Türen gerade geschlossen wurden – Feierabend.
Vor allem während der Pandemie standen wir immer wieder vor verschlossenen Türen. Ob Behörden, Schwimmbäder, Restaurants, Rathäuser oder Gemeindebüros – viele hatten und haben ihre Türen für die Öffentlichkeit geschlossen. Oft konnte man nur noch mit Anmeldung oder telefonisch sein Anliegen vorbringen.
Besonders kritisch war es, wenn die Kirche ihre Türen schloss. Kirchen müssen doch offen sein. Im wörtlichen und im übertragenden Sinne. Das erwarten die Menschen. Offen für den anderen - das ist doch dem Christentum in die DNA geschrieben. In der Jahreslosung für das Jahr 2022 steht es unmissverständlich und deutlich: „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Und wir als die Kirche Jesu Christi sollten in der Nachfolge Jesu doch so handeln, wie er es tat, oder? Wer zu uns kommt, den werden wir nicht abweisen. Offene Türen sollten das Kennzeichen unserer Kirche sein. Dass aber dann die Kirchen während der Coronakrise zumindest in der ersten Phase geschlossen waren und auch wir vor allem zu Beginn keine Gottesdienste in unserer eigenen Kirche gefeiert haben, hat viel Kritik hervorgerufen. Und wir haben als Gemeinde unter dieser Durststrecke gelitten.
Jesus hat die Menschen nach allem, was man in Neuem Testament lesen kann, nicht abgewiesen, sondern sich ihnen immer zugewendet. In der Zeit, in der er öffentlich auftrat, hat er viele Menschen in seinen Bann gezogen. Sie sind ihm gefolgt und wollten hören, was er zu sagen hat. So bezeichnet er sich z.B. als Brot des Lebens, das den Hunger nach Leben stillen kann. Jeder, der zu ihm kommt, der eine Beziehung zu ihm sucht, den wird er mit offenen Armen empfangen: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“, sagt er. Keine verschlossenen Türen.
Die Künstlerin Stefanie Bahlinger hat versucht, dieses Versprechen Jesu künstlerisch umzusetzen. Man sieht auf ihrem Bild eine weit geöffnete Tür und schaut in einen hellen Raum. Dort steht schemenhaft angedeutet ein Tisch. Auf diesem Tisch liegen bzw. stehen Brot und Wein, Brot des Lebens und Kelch des Heils. Damit nimmt die Künstlerin Jesu Wort auf: „Ich bin das Brot des Lebens!“ und bezieht es auf die Feier des Abendmahls. Das ist naheliegend. Denn in diesem Mahl essen wir Brot des Lebens und trinken aus dem Kelch des Heils, um Gemeinschaft zu erleben, um mit Jesus verbunden zu bleiben, um Vergebung zu bekommen und Kraft für unser Leben zu erhalten. Gut, dass wir dies in unseren Gottesdiensten, wenn auch in ungewohnter Form, seit einigen Monaten wieder tun (dürfen).
Der Schlüssel für die geöffnete Tür hängt in Form eines Kreuzes riesig in einer Ecke der Türrahmens. Die Tür ist geöffnet, so deutet es die Künstlerin, durch Jesu Kreuz und Auferstehung, in der die Grenze des Todes aufgehoben wurde. So stellt diese Tür die Grenze zwischen Gottes Welt und unserer Welt dar. Jesus, als Brot des Lebens, ist die Verbindung bis hinein in unsere Zeit. Seine Tür ist immer offen.
Ihr Pfarrer
Johannes Jochemczyk
Gott mit uns - Im Sturm der Zeit!
Liebe Leserinnen und Leser!
Das war ein anstrengendes Jahr - und ein stürmisches. Die Pandemie hat uns allen viel abverlangt. Sorgen und Ängste, Tod und Trauer, aber auch Einsamkeit und fehlendes Miteinander haben das letzte Jahr bestimmt. Und wie ein Brennglas wirkt die Pandemie auf Ungerechtigkeit, Hunger, Gewalt, Flucht und Krieg und verschlimmert diese Zustände. Unsere Gefühle schwanken zwischen Hilflosigkeit und Wut, Resignation und Sehnsucht nach Hoffnung auf ein Ende.
Dann kam im Sommer auch noch die Flutkatastrophe mitten in Deutschland. Die zerstörerische Gewalt des Wassers nahm vielen Menschen all ihr Hab und Gut, hat Menschen in den Tod gerissen, Existenzen vernichtet und vielen ihr Zuhause genommen.
Nun hat am 1. Advent ein neues Kirchenjahr begonnen. Wir befinden uns in der Wartezeit auf Weihnachten. In dieser Zeit hören wir die Botschaft von Hoffnung und Licht, die in die Dunkelheiten unseres Lebens kommen. Hoffnung auf Neues, Hoffnung auf Frieden, Hoffnung auf Gerechtigkeit. Das soll uns Kraft und Mut geben, immer wieder, jedes Jahr, unser Leben lang. Die biblischen Texte des Advents weisen uns einen Weg, um Hoffnung und Licht zu entdecken.
Eine Frau, die die Hoffnung, die Gott der Welt gibt, am eigenen Leib erlebt, ist Maria. Sie ist eine sehr junge Frau, als sie durch einen Engel die Botschaft bekommt, dass sie schwanger ist und ein Kind gebären wird, das 'Sohn Gottes genannt werden wird. Für die unverheiratete junge Frau war das eine Katastrophe und eine Bedrohung. Würde ihr Freund Josef sie verlassen? Würde Sie der Unzucht bezichtigt werden? Auch wenn der biblische Bericht erzählt, dass Maria als frommes Mädchen dem Wirken Gottes folgt, so ist die Wirklichkeit dieser Situation unfassbar und bedrohlich. Und sie geht los, vielleicht überstürzt und unsicher, aber sie muss erstmal weg. Wo kann sie hin? Maria geht zu der ebenfalls schwangeren Verwandten Elisabeth.
Maria bleibt in ihrer Situation, in der ihr der Boden unter ihren Füßen weggezogen wird, nicht allein. Sie setzt sich in Bewegung. Sie will Gemeinschaft, sie braucht Halt und Unterstützung. Und als sie bei Elisabeth ankommt, bewirkt der Heilige Geist, dass diese erkennt: Hier kommt die Frau, die den Messias gebären wird. Das ist das erste Christusbekenntnis und es wird von einer Frau gesprochen. Die Gemeinschaft der beiden schwangeren Frauen gibt ihnen Kraft in ihrer außergewöhnlichen Situation. Elisabeth steht zu Maria und sie werden drei Monate zusammen in ihr neues Leben hineinwachsen. Dann kehrt Maria wieder nach Hause zurück, gestärkt und mutig.
Die Erfahrung von Gemeinschaft, ihrer Kraft und dem Segen, der in ihr liegt, konnte auch im letzten Jahr gemacht werden. Menschen haben sich in Bewegung gesetzt und Möglichkeiten der Gemeinschaft entwickelt. Menschen haben sich umeinander gesorgt und kreativ andere durch die Zeit der Einsamkeit begleitet. Ganz stark haben wir die Kraft der Gemeinschaft in den zerstörten Flutgebieten erlebt. Tausende Ehrenamtliche haben sich aufgemacht, um Schlamm und Schutt wegzuschaufeln. Menschen haben denen, die alles verloren haben, Unterkunft gegeben, und manche haben ihr Leben eingesetzt, um andere zu retten. Die Helfer haben so den Opfern Kraft gegeben. Sie haben Seelen gerettet, weil sich manche ohne diesen Einsatz aufgegeben hätten. Es wurde viel gespendet, und wir wissen, es wird auch in Zukunft eine Gemeinschaftsleistung brauchen, diese Katastrophe zu überstehen. Diese Gemeinschaft gibt Hoffnung. Sie zeigt, was wir gemeinsam schaffen können. Es sind die kleinen Begegnungen gegen die Einsamkeit und die große Gemeinschaftsleistung gegen die Zerstörung, die Licht in unsere Welt bringen. Sie zeugen von der Hoffnung Gottes, dass wir sein Licht in dieser Welt zum Leuchten bringen. Und sie zeugen von unserer Hoffnung, dass wir von Gottes Geist ergriffen werden und sein Licht uns leuchtet.
Auf der Titelseite dieses Briefes sehen Sie das Weihnachtsbild der Künstlerin Beate Heinen "Gott mit uns - im Sturm der Zeit" [siehe Bild oben, Anm. d. Red.]. Es scheint so, als würden die wogenden Wellen über der Menschengruppe im Boot zusammenschlagen. Die ängstlichen Blicke spiegeln die bedrohliche Situation. Und dennoch ist da auch ein ruhender Pol in dem Bild, das schlafende Kind in Marias Armen: Jesus, der Retter ist da. - Es ist ein Bild der Hoffnung. Auch wir dürfen in den Stürmen unseres Lebens immer wieder neu darauf vertrauen: Gott ist bei uns.
Ihr Pfarrer
Thomas Uecker
„God Bless You!“
Liebe Leserinnen und Leser!
An der Mittelpunktschule in Frickhofen hing vor den Sommerferien ein in regenbogenfarben schillerndes Plakat. „God Bless You“ stand darauf – Gott segne Dich.
Regenbogenfarben drücken Lebendigkeit und Vielfalt aus. In der Bibel steht der Regenbogen vor allem für die Treue Gottes, denn er setzt ihn als Zeichen seiner Liebe nach der Sintflut in den Himmel und verspricht, dass die Welt niemals aufhören wird zu bestehen. Der Regenbogen symbolisiert somit Frieden und Neubeginn, er steht aber auch für Vielfalt und Toleranz unseres bunten Lebens, besonders und auch in Bezug auf die sexuelle Orientierung.
Bei diesem Plakat „God Bless You“ handelte es sich um ein Statement der Jugendeinrichtungen des Bistums Limburg zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. So kann man auf der Internetseite der Jugendkirche Limburg lesen: „Wir glauben daran, dass Gott alle in ihrer Vielfalt liebt. Diese Grundhaltung der bedingungslosen Liebe Gottes und unvoreingenommenen Wertschätzung des Gegenübers leitet uns in unserem Handeln und Tun mit Jugendlichen und jungen Menschen. Wir vertreten die Haltung, dass das
Glaubenszeugnis aller Liebenden unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung in der Bitte nach einem Segen in besonderer Weise zum Ausdruck kommt. Dafür sind wir dankbar!“ Das ist eine klare Position, die allerdings nicht unwidersprochen blieb.
Zwar konnte man das Plakat auch an anderen Stellen hängen sehen, z.B. am Balkon der Ev. Kirche am Bahnhof in Limburg, aber es gab durchaus auch Gemeinden, die dieses Statement untersagt haben. Der Regenbogen wird zu einem Politikum, allerdings nicht nur in den Kirchen.
So wurde während der Fußball-Europameisterschaft z.B. darüber diskutiert, ob ein Fußballstadion in den Farben des Regenbogens leuchten darf, um die Toleranz gegenüber der Vielfalt der Lebensformen von uns Menschen auszudrücken. Die UEFA untersagte dies und kritisierte dieses Vorhaben als zu politisch.
Unsere Kirche hat sich schon früh mit der Bedeutung sexueller Orientierung für ihr kirchliches Handeln auseinander gesetzt. Sie vertritt die Position, dass der Segen Gottes allen Menschen gilt und die sexuelle Orientierung mit zur Geschöpflichkeit des Menschen gehört. Aus diesem Grund wurde die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare der Ehe gleich gestellt. Jedes Paar darf sich in der evangelischen Kirche trauen lassen. Diese Position ist allerdings auch in unserer Kirche umstritten. Dennoch: Der Segen Gottes gilt allen Menschen. In diesem Sinne: „God Bless You!“, „Gott segne Sie!“ Kommen Sie gut durch den
Sommer!
Ihr Johannes Jochemczyk
Mit Jesus ein Bier trinken
Liebe Leserinnen und Leser!
In einem gerade erschienenen Büchlein (Jonas Goebel: Jesus, die Milch ist alle, Freiburg 2021) werden auf sehr unterhaltsame Weise Geschichten erzählt, die ein Hamburger Pfarrer erlebt, nachdem Jesus und Martin Luther zu ihm ins Pfarrhaus gezogen sind. Bemerkenswert finde ich die Begründungen dafür, dass die beiden nochmal auf Erden auftauchen.
Martin Luther möchte, nach 500 Jahren, eine neue und vernünftige Bibelübersetzung anfertigen. Nachdem Gott in der Diskussion mit Martin irgendwann die Argumente ausgegangen seien, hätte er ihm dies gestattet. Jesus sollte schlichtweg ein neues Evangelium schreiben.
Beide versuchen, sich für ihre Aufgaben neuer Medien zu bedienen. Und während Martin Luthers You-Tube-Kanal eifrig Klicks und Abonnenten sammelt, kommt Jesus digital gar nicht gut an. Sein Wunschname (@the RealJesus) ist schon lange vergeben, Twitter will seinen Account nicht verifizieren, auf Facebook ist er so ziemlich der letzte aktive Nutzer, und von TikTok hat er sich verstört wieder abgemeldet.
„Das waren ihm zu viele zu junge zu wenig bekleidete Mädchen.“ Und nachdem ein Foto von ihm bei Instagram bloß 27 Klicks bekommt, ist Jesus richtig frustriert.
Martin Luther meint eine Erklärung für die mangelnden Rückmeldungen auf Jesu Bemühungen zu haben. Er sei einfach eher so der Offline-Typ. Und auf Jesu Nachfrage erläutert Martin: „Na ja, du bist zwar jetzt nicht die Schönheit in Person und das mit der Frisur, na ja egal. Also was ich sagen will: Die Leute lieben deine Nähe. Deine Aura. Auch wenn du eher unscheinbar bist – wenn man sich mit dir unterhält, dann gibt´s richtig so einen Klick in einem drin. Und das funktioniert online anscheinend nicht.“ Und dann geht Martin, um seine „95 Thesen wider die liberale Belanglosigkeit in der evangelischen Kirche“ zu Ende zu schreiben.
Martin Luther und eben auch Jesus werden in diesem Buch ganz alltäglich menschlich geschildert. Schnell werden sie zu Freunden des Pfarrers.„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“ heißt es in einem Lied von den Comedian Harmonists. Und tatsächlich: Freundschaft ist etwas, ohne das die meisten Menschen nicht leben können. Ein Freund ist jemand, bei dem wir unseren Liebeskummer abladen oder mit dem wir die Nächte durchfeiern.
Gleichzeitig ist nicht jeder „Freund“ wirklich mein Freund. Das haben viele von uns schon in der Schule erfahren. Denn dort galt oft: Wer am beliebtesten war oder die besten Spielzeuge hatte, hatte die meisten Freunde. Die coolen Kids scharten ihre zahlreichen „Freunde“ um sich, die sich alle um die Gunst des
Anführers bemühten.
Diese Art von Freundschaft tut nicht gut und auch Jesus verwahrt sich dagegen, wenn er den Jüngern in Johannes 15,15 zusagt: „Ich nenne euch nicht mehr Diener; denn ein Diener weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr nenne ich euch Freunde, denn ich habe euch alles gesagt, was ich von meinem Vater gehört habe.“
Auch als Sohn Gottes verlangt Jesus von seinen Jüngern keine duckmäuserische Haltung. Ganz im Gegenteil, er macht sich selbst zum Diener, wenn er in Matthäus 20,28 sagt: „Auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld für alle Menschen hinzugeben.“Doch was heißt es, Jesus als Freund zu haben?
An vielen Stellen berichtet die Bibel davon, wie Jesus ganz praktisch Gemeinschaft mit Menschen hatte. Wenn er ihnen was zu sagen hatte, tat er es oft beim gemeinsamen Essen. Und mal ehrlich: Wer will schon einen besten Freund, der nur in der Bibel lesen und über meinen Glauben sprechen will? Denn zu Freundschaft gehört eben auch, gemeinsam ins Kino zu gehen, ein Bierchen zu trinken oder rumzublödeln.
Übersetzt könnte das heißen, Jesus mal bewusst in den eigenen Alltag einladen: auf die Couch zum Filmabend, in die Küche zum Kochen, zum Spaziergang in den Wald.
Von Herzen
Pfarrer Thomas Uecker
Knospen springen auf ...
Als ich diese Zeilen schreibe, ist es Mitte Januar. Am Wochenende hat es geschneit, ein Teil des Schnees ist schon wieder geschmolzen. Heute aber ist es kalt. Die Natur ist im Winterschlaf.
Aber leider nicht nur die Natur. Zur Zeit befindet sich alles im Winterschlaf. Das öffentliche Leben ist eingestellt wo es nur geht. Und auch im Privaten erleben wir Beschränkungen, mal mehr, mal weniger. Wie es uns wohl gehen wird, wenn Sie den Gemeindebrief in den Händen halten?
Ich gehe einmal davon aus, dass die Krise im März längst noch nicht überwunden ist! Und die Sehnsucht nach normalem Leben dann nach wie vor groß ist. Ich bin aber davon überzeugt, dass das Licht am Horizont in greifbarer Nähe liegt. Alles was wir brauchen ist Geduld. Viel Geduld.
Im vergangenen Jahr haben wir uns in der Vorweihnachtszeit wie in jedem Jahr zu Ökumenischen Frühschichten – verantwortet von Sebastian Schneider und mir – im Gemeindezentrum getroffen. Auch wenn wir nur unter Coronabedingungen zusammen kommen konnten - ohne ein gemeinsames Frühstück - waren alle froh, sich treffen zu können.
Dieses Mal beschäftigten wir uns mit den Thema „Hoffnungshorizonte“. Im Zentrum standen Bilder der Künstlerin Margot Brünig. Ich verwendete für meine Gedanken ein Motiv mit dem Titel „Knospen springen auf“ und erzählte dazu die Legende von der Hl. Barbara.
Im Zusammenhang mit dieser Legende gibt es den Brauch, Kirschblütenzweige am Barbaratag (4.12.) in eine Vase zu stellen, in der Hoffnung, dass diese dann an Weihnachten blühen. Im Anschluss unserer Andacht konnte sich darum jeder einen Kirschblütenzweig mit nach Hause nehmen. Ein Teil der Zweige stammte von einer Wildkirsche vor dem Pfarrhaus in Hadamar, andere von einer Zierkirsche aus dem Pfarrgarten in Frickhofen. Was ist aus diesen Zweigen geworden?
Ich bin mir sicher, nicht alle haben sich auf dieses Experiment eingelassen. Zwei Wochen später beschwerte sich jedoch jemand aus unserer Gruppe, sie hätte den Zweig in die Vase gestellt und nichts würde passieren! Wo ich denn die Zweige her hätte und was das überhaupt für Zweige wären? Ich habe sie beschwichtigt und ihr Mut gemacht, sie solle sich noch ein wenig gedulden. (Insgeheim war ich allerdings auch nicht besonders davon überzeugt, ob aus diesen knorrigen Zweigen denn wirklich etwas werden würde).
An Silvester 2020, am letzten Tag des Jahres, bekomme ich jedoch eine Email von Sebastian Schneider, in der er schreibt: „Dieses prächtige Blütenbild wollte ich Dir nicht vorenthalten! Mit perfektem Timing hat es bis Heiligabend gedauert, dass der Barbarazweig zu blühen begann. Wunderschön!!“ Beigefügt war das Bild dieser Kirschblüte.
Diese kleine kurze Mail mit der Kirschblüte hat mich in diesem Moment wirklich berührt. Es hat auch meine Zweifel etwas zu Seite gewischt und ist mir zu einem wichtigen Bild für unsere momentane Krise geworden. Auch wenn es scheint, dass in mancher Situation nichts (Gutes) entstehen mag, man soll die Hoffnung und die Geduld nicht aufgeben.
Das wünsche ich Ihnen auch für die nächsten Wochen: Verlieren Sie nicht die Hoffnung und bewahren Sie Geduld. Mag Ihnen das Bild der Kirschblüte dabei helfen. Bleiben Sie gesund und Gott befohlen!
Ihr Johannes Jochemczyk
Weihnachten mal anders!
Liebe Leserinnen und Leser!
Es ist schon eine Weile her, da stand ich in einer Kirche vor einer klassischen Weihnachtskrippe mit hübschen großen Krippenfiguren. Alle waren sie versammelt: Das Jesuskind, Maria und Josef, Ochs und Esel, die Hirten mit ihren Schafen, die drei Weisen aus dem Morgenland und ein Troll.
Äh, Moment –ein TROLL?!?!
Doch tatsächlich, inmitten der Figuren stand ein nackter kleiner Troll aus Plastik mit giftgrünen hochstehenden Haaren. „Oh, da muss sich wohl ein Kind einen Scherz erlaubt haben!“, dachte ich mir und versuchte vorsichtig den kleinen Troll aus der Krippe zu entfernen. „Hey!“, rief auf einmal eine Stimme hinter mir. „Das kannst du nicht machen, der gehört doch dazu.“ Erschrocken drehte ich mich um und guckte meinen Pfarrkollegen verdutzt an: „Er gehört dazu? Wie das?“ „Aber sicher!“, sagte er mit fester Stimme. „Das ist doch der Owi!“ „Owi?!“ Verzweifelt kramte ich in meinem Gedächtnis. In keinem der Evangelien hatte ich je etwas von einem Owi gehört. Oder war das etwa ein la-teinischer Ausdruck für irgendetwas?! Altgriechisch gar?! Im Stillen fragte ich mich, ob ich in 13 Semestern Theologiestudium vielleicht wirklich etwas Entscheidendes verpasst hatte.„Na, kennst du denn nicht das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“? Dort heißt es doch: Stille Nacht, heilige Nacht! Gottes Sohn, Owi lacht!“, erklärte er schmunzelnd. „Wir dachten es ist doch schön, jemanden zu haben, der sich so richtig über Gottes Sohn freuen kann! Und deswegen sitzt unser Owi hier jedes Jahr mit dabei.“
„Achja, Owi (o wie) lacht!“ Endlich hatte auch ich den Witz verstanden und konnte mitlachen. Behutsam setzte ich den kleinen Troll mit den giftgrünen Haaren zurück in die Krippe: „Ja, auch er sollte sich über das Jesuskind freuen dürfen!“[...]
Die Begegnung mit dem kleinen Troll Owi hat mir eines gezeigt: Weihnachten ereignet sich immer wieder neu und selbst dann, wenn man glaubt, schon alles über das Fest der Feste zu wissen, kann man noch vom Geist der Weihnacht überrascht werden. Manchmal ist es hilfreich, sich nicht zu sehr daran zu klammern „wie Weihnachten sein muss“, sondern mit kindlicher Offenheit und einer Prise Humor über Neues und Wundersames zu staunen. Das gilt in diesem Jahr, in dem Corona-bedingt alles anders ist, ganz besonders. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein fröhliches Weih-nachtsfest und einen guten Start in ein gesegnetes und wundervolles Jahr 2021!
Ihre Pfarrerin
Katharina Eisenreich
Irgendwie haben wir immer Gegenwind
So kam es uns jedenfalls vor Jahren bei einer Radtour im Urlaub in Nieder-sachsen vor.
Kein Problem, so eine Tour, hatte ich gedacht, hier oben ist ja alles flach. Aber dann gab es Gegenwind, und ich weiß noch, wie die Beine wehtaten. Absteigen und ein Stückchen schieben? Kam nicht infrage, das ließ der Stolz nicht zu.
Nach einiger Zeit waren wir am Ziel, eine Kleinstadt, dort wollten wir zu Mittag einkehren.
Erschöpft waren wir, aber auch froh: Wir hatten es geschafft. Das Mittagessen schmeckte wunderbar. Doch dann kam die Frage: Wie wird es auf dem Rückweg sein – gibt es dann Rückenwind oder dreht der Wind und kommt uns wieder entgegen, und die Anstrengung beginnt von vorne? Oft genug hatten wir das auch schon erlebt. Aber wir hatten Glück. Die Rückfahrt war ein Kinderspiel. Der Wind, der uns vorher so zu schaffen gemacht hatte, beflügelte uns förmlich.
In der Bibel ist der Wind ein Bild für den Geist Gottes, für Gottes Kraft und sein Wirken auf uns Menschen. So wie der Wind – so weht auch Gottes Geist, unberechenbar und unbeherrschbar.
Manchmal ist er gewaltig wie ein Sturm, der alle mitreißt und manchmal ist er wie ein zarter Hauch kaum zu spüren. Manchmal weht der Geist Gottes als Gegenwind. Dann ist unser Leben mühsam. Wir meinen, auf der Stelle zu treten, arbeiten uns ab, mobilisieren alle Kräfte und kommen doch kaum vom Fleck. Wir ärgern uns, dass andere scheinbar mühelos vorwärts kommen im Leben. Sie haben den Wind im Rücken.
Manchmal weht der Geist Gottes sogar als mächtiger Gegenwind, bringt uns an den Rand unserer Kräfte und zwingt uns sogar zur Umkehr. Und das ist dann auch gut so.
Es kann aber auch sein, dass Gottes Geist ungeahnte Kräfte in uns freisetzt. Er beflügelt uns und reißt uns mit. Eine gestellte Aufgabe erscheint uns als eine Zumutung und wir fragen uns, ob wir das überhaupt schaffen können. Und am Ende staunen wir, was wir erreicht haben.
Manchmal weht der Geist Gottes als Rückenwind. Wir spüren ihn kaum, aber er treibt uns an. Ohne Mühe kommen wir voran und wundern uns, wie unsere Pläne gelingen. Vielleicht bekommen wir sogar etwas Angst vor dem Tempo, mit dem er uns treibt. Und am Ziel fragen wir uns, wie wir das eigentlich geschafft haben. Hin und wieder erleben wir Gottes Geist auch als Flaute, erholsam, eine Einladung zum Ausruhen, Atemholen; beinahe unheimlich, wenn gar nichts mehr zu spüren ist. Wenn wir nicht wissen, wie und wann es wieder zu wehen beginnt.
Wie der Wind weht Gottes Geist. Er begegnet uns, umgibt und bewegt uns. Ob er uns bremst oder beflügelt, uns unterstützt oder herausfordert, zurück –oder vorwärts treibt, ob wir ihn deutlich spüren oder kaum wahrnehmen, ob er uns dazu verlockt – wie jetzt im Sommer – die Segel zu setzen und aufzubrechen oder ob er uns Zeit lässt, auszuruhen.
Ihre Prädikantin und Küsterin Helmi Müller
Gott schenke mir Geduld, aber bitte sofort
Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, feiern wir seit sieben Wochen keine Gottesdienste in den Kirchen mehr. Die Gemeindehäuser, Restaurants und Hotels sind zu. Mit einem regulären Betrieb der Schulen und Kindergärten vor den Sommerferien ist nicht zu rechnen. Wir sollen möglichst zu Hause bleiben. Immer noch. Geduld ist gefragt. Das ist aber gar nicht so einfach. Wie lernt man das - geduldig zu sein? Den einen fällt es leichter, den anderen schwerer. Manche können es genießen, zu Hause zu sein, Zeit für den Garten, Zeit den Keller zu entrümpeln. Andere sind nur noch genervt – die Wohnung ist eng, man geht sich auf die Nerven und regt sich über Kleinigkeiten auf. Und wieder andere werden immer depressiver, weil ihnen die Decke auf den Kopf fällt. Wie lange noch? Geduld ist gefragt – und das fällt uns schwer. Zumindest vielen von uns. Wir sind anderes gewohnt. Bisher war es heutzutage so, dass Wünsche schnell erfüllt wurden. Kaum bestellt, schon war es da. Alles verfügbar zu jeder Zeit an jedem Ort. Und auch Veranstaltungen – die gab es in Hülle und Fülle für jeden Geschmack, ob kulturell, kirchlich, sportlich, für Alt und Jung. Jeden Tag konnte man woanders sein. Und jetzt - Geduld müssen wir haben.
Was ist das, Geduld? Das dazugehörige Verb „dulden“ geht auf ein Wort zurück, das tragen, ertragen bedeutet. Also ist Geduld etwas tragen, auch ertragen können. Etwas tragen, das ist etwas sehr Aktives und kostet viel Kraft. Auch wenn nach außen hin Geduld haben anders wirken mag, mehr nach Nichtstun aussieht. Aber weil sich gedulden Kraft kostet, ist es kein Wunder, dass wir die jetzige Zeit anstrengend finden, obwohl viele von uns weniger tun können als sonst. Wir müssen etwas ertragen, was wir nicht gewohnt sind und nicht wollen. Geduldig sein macht Mühe und kostet Kraft.
In der Bibel wird Geduld oft erwähnt. Sie ist hier ein Zeichen von Reife und zugleich eine Frucht des Heiligen Geistes (Gal 5, 22). In den Sprüchen heißt es (Spr 14, 29): „Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist, der offenbart seine Torheit.“
Geduld ist also eine erstrebenswerte Sache, man könnte auch sagen, eine Tugend. Im Lauf des Kirchenjahres sind Geduldsübungen verankert: Den beiden großen Festen Weihnachten und Ostern ist eine Wartezeit vorgeschaltet, die Adventszeit und die Passionszeit. Geduld ist gefragt, bevor gejubelt und gefeiert wird. Und auch schon über die Jahrhunderte hinweg müssen wir uns in Geduld üben: Das von uns erwartete große Fest am Ende der Zeiten steht noch aus. Wir müssen immer noch warten, wissen nicht Tag noch Stunde, bis Gottes wunderbares Reich für alle sichtbar anbricht.
Sich in Geduld zu üben ist nicht nur weise und eine Tugend, sondern auch eine Eigenschaft, die Gott zugesprochen wird. In der Bibel wird erzählt, wieviel Geduld Gott mit seinem Volk hat, z. B. in der Geschichte, als Mose das Volk durch die Wüste ins gelobte Land führt. Immer wieder beklagen sich die Leute und wollen am liebsten wieder umkehren, weil alles so lange dauere und mühsam ist. Und Gott bringt immer wieder die Geduld auf, noch einmal neu mit seinem Volk anzufangen.
„Barmherzig und gnädig ist Gott, geduldig und von großer Güte“ heißt es in Psalm 103 (Vers 8). Heute noch sind wir auf Gottes Geduld mit uns angewiesen, denn auf Abwege geraten immer wieder auch wir als Menschheit und als Einzelne. Wenn wir uns also in Geduld üben müssen, ist das eine Übung, die uns auf Gottes Spuren bringen kann.
Jetzt, wo Sie diese Zeilen lesen, feiern wir wahrscheinlich wieder Gottesdienste in unseren Kirchen. Allerdings durch viele Maßnahmen sehr eingeschränkt und nicht wie gewohnt. Auch da braucht es Geduld, um die Einschränkungen zu ertragen.
Vielleicht hilft dabei folgender Gedanke:
Es ist schön und gut, wenn Menschen durch Gottesdienste getröstet, angeregt und gestärkt werden.
Dennoch ist das nicht die primäre Ausrichtung von Gottesdienst. Gottesdienst ist ein Dienst für Gott.
Und für Gott ist es – da bin ich sicher – ziemlich egal, welchen Abstand wir bei dem Dienst zueinander halten oder ob wir Masken tragen oder nicht. Dass wir unseren Dienst für Gott vollziehen ist das Entscheidende.
Denn, „wo zwei oder drei in Gottes Namen versammelt sind, da …“
Ihr Pfarrer Thomas Uecker
Kein Leben ohne Krise
Es gibt viele Menschen, die ich bewundere. Einer davon ist Frau P.
Frau P. engagiert sich ehrenamtlich mit so viel Leidenschaft und Herzblut für ihre Mitmenschen, dass es manchmal schon fast „übermenschlich“ wirkt: Sie hilft Grundschüler*innen bei den Hausaufgaben, gibt Sprachkurse für Geflüchtete und kümmert sich um eine ältere Dame, die nicht mehr alleine einkaufen kann. All das erledigt sie am Wochenende oder nach Feierabend - neben ihrer 40-Stunden-Woche.
„Woher nehmen Sie eigentlich die Kraft für all ihre Aufgaben?“, fragte ich sie eines Tages.
Frau P. hielt einen Moment inne und dann erzählte sie mir vom Tod ihres Sohnes. Von Zusammenbrüchen und Depressionen. Von unzähligen Therapien und Trauergruppen, die sie besucht hatte. Und irgendwann nach Jahren, da habe sie schließlich innerlich gespürt, dass sie so nicht mehr weiterleben möchte und beschlossen, dass sie die große Liebe, die sie nach wie vor für ihren verstorbenen Sohn empfindet, gerne an andere Menschen weitergeben möchte. Die Erinnerung an ihren Sohn gebe ihr jeden Tag die Kraft, die sie dazu braucht.
Bis heute ist mir ihre Geschichte in Erinnerung geblieben.
Im Laufe der Zeit erfuhr ich häufiger von Menschen, deren Werdegang von einer tiefen Krise geprägt wurde:
Der engagierte Philosophielehrer, der erst anfing nach dem Sinn des Lebens zu fragen, nachdem er in seinem alten Job fast zugrunde gegangen war.
Die Künstlerin, die als Kind die ersten Figuren töpferte, um die Trennung ihrer Eltern zu verarbeiten.
Der engagierte Sozialpädagoge, der sich mit liebevoller Strenge um Heranwachsende kümmert, weil er als Jugendlicher selbst mal auf die schiefe Bahn geraten war.
Für mich hatte die Offenheit dieser Menschen etwas sehr Entlastendes. Seither weiß ich: All jene, die ich heute bewundere, hatten Phasen, in denen sie nicht stark waren. Phasen, in denen sie am Boden zerstört, wütend und verzweifelt waren. Wahrscheinlich hatten all jene, die nach außen hin so übermenschlich erscheinen, sogar tiefschwarze Momente, in denen sie gerufen haben: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Ganz so wie jener, den Gott von den Toten auferweckt hat.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete Passions- und Osterzeit, in der Sie Ängste und Schwächen zulassen und auf die Kraft Gottes vertrauen dürfen!
Ihre Pfarrerin Katharina Eisenreich
"Ich glaube, hilf meinem Unglauben!"
Neulich hatte ich wieder einmal das Vergnügen, ein junges Paar zu trauen. Das sind immer ganz besondere Momente voller Emotion. Ein einmaliger Tag. Gleichzeitig wurde auch das Kind des Brautpaares getauft. Wie bei jeder Taufe haben wir dazu als Gemeinde das Glaubensbekenntnis gesprochen.
Allerdings waren es nur wenige Gemeindeglieder, die in das gemeinsame Bekenntnis mit einstimmten. Der weitaus größere Teil der Festgemeinde schwieg. Ich war irritiert.
Im Nachhinein scheint es mir jedoch klar: Viele Menschen unserer Gesellschaft besuchen Gottesdienste nicht mehr regelmäßig. Man ist nicht mehr geübt in der christlichen Tradition, man vergisst schlicht die traditionellen Texte, die man vielleicht sogar einmal auswendig konnte.
Andererseits könnte dieses Schweigen auch Ausdruck dafür sein - und das wäre genauso zu bedauern - dass viele Menschen den Glaubensaussagen über Gott und Jesus, denen wir im Bekenntnis Ausdruck verleihen, einfach nicht mehr glauben oder nicht mehr glauben können.
Tatsächlich stellte das Magazin "Der Spiegel" im April dieses Jahres fest, dass nur noch 55 % der Deutschen an einen Gott (2005 waren es noch 65%) und nur (je nach Alter) 29%-40% der Befragten an ein Leben nach dem Tod glauben. Und nur 58% der evangelischen Befragten können mit der Auferstehung Jesu noch etwas verbinden, welche immerhin der Grund für das größte unserer christlichen Feste ist: Ostern. Ist also tatsächlich der christliche Glaube am verschwinden?
Ich denke nicht. In der Glaubensunsicherheit zeigt sich vielmehr, dass es eine große Herausforderung ist und immer schon war, Gott zu vertrauen! Einer Kraft, die man weder sehen noch schlüssig beweisen kann, sondern die sich nur im eigenen Erleben und Glauben zeigt.
Darum ist der Glaubenszweifel schon immer die zweite Seite der Glaubensmedaille gewesen. Dies zeigt sich in den Geschichten der Bibel von Anfang an. Z.B. bei Sara, der Frau des Abraham, der im hohen Alter durch einen Gottesboten ein Kind versprochen wird. So unglaublich scheint dieses Versprechen, dass sie daraufhin laut lachen muss - und dennoch bekommt sie ein Kind.
Ich denke aber auch an den Vater eines epileptischen Kindes, der in seiner Not damals Jesus aufsucht und ihn bittet, seinen Sohn gesund zu machen, ihn zu heilen. "Alles ist möglich, dem der da glaubt!", antwortet ihm Jesus darauf. Das sagt sich leicht. Aber Jesu Anspruch ist hoch. Er meinte ja einmal auch, wenn wir nur Glauben hätten wie ein Senfkorn, dann könnten wir Berge versetzen! Wobei dies unserer Erfahrung meist allerdings nicht entspricht. Der Vater des Kindes jedoch ist mutig und glaubensstark; andererseits ist er sich trotzdem nicht sicher, ob sein Glaube auch groß genug ist: "Ich glaube; hilf meinem Unglauben!" -mit diesen Worten bittet er Jesus um Hilfe.
Mir imponiert die Direktheit und Ehrlichkeit dieses Mannes. Großes Vertrauen spricht aus seinen Worten, gleichzeitig jedoch auch das Bewusstsein der eigenen Zweifel und Begrenztheit. Diese spricht er offen aus und bittet Jesus auch hier um Hilfe. Nicht nur die Heilung seines Kindes, sondern auch der Umgang mit den eigenen (Glaubens)unzulänglichkeiten liegt nun in Jesu Verantwortung.
Die Worte dieses Mannes aus Markus 9,24 sind die Jahreslosung für das Jahr 2020! Mögen sie uns in diesem kommenden Jahr begleiten und daran erinnern, dass wir uns immer voll Vertrauen und in unserer Begrenztheit Jesus zuwenden können.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein neues Jahr 2020 voll tragender Glaubenserfahrungen.
Ihr Pfarrer Johannes Jochemczyk
Meine liebste alte Dame
„Ich nenne zunächst, was ich von meiner liebsten alten Dame nicht behaupten will. Meine alte Dame ist nicht einfach vom Himmel gefallen. Sie ist unter Menschen geboren und hat eine Menschen-geschichte. Meine alte Dame irrt sich gelegentlich, aber sie ist so charmant, dass ich ihr fast alle Irrtümer verzeihe. Meine alte Dame ist nicht streitsüchtig und behauptet nicht, neben ihr gäbe es keine anderen schönen alten Damen. Nun also die Alte bei ihrem Namen genannt: die Bibel.“ (Hessisches Pfarrblatt, Februar 2019, S. 4).
Mit diesen Sätzen, liebe Leserinnen und Leser, begann Fulbert Steffensky im vergangenen Jahr einen Vortrag in der Katholischen Akademie Rabanus Maurus in Frankfurt am Main. Und er erzählt in Folgenden mit viel Liebe, ja Zärtlichkeit von der Bibel als seinem vorrangigen Buch, von dem er mehr erwarte und mehr finde an Wahrheit und Schönheit als in anderen Büchern. Und er plädiert dafür, sie zu lesen.
„Meine schöne alte Dame will nicht aus der Ferne bewundert werden, (…) sie will mich besuchen, nach Möglichkeit täglich. Sie erträgt es auch, wenn sie nur einmal in der Woche kommen darf. Wenn es weniger als einmal im Monat ist, fängt sie an zu murren und sie verweigert mir ihren Trost und ihre Weisheit.“
Mich hat dieser Gedanke angeregt über das Lesen nachzudenken.
Wie schön und gut, dass wir lesen können - in der Bibel (und in anderen Büchern).
Wie schön und gut, dass der Buchdruck erfunden wurde.
Wie schön und gut, dass Martin Luther die Bibel übersetzt hat.
Bibel lesen – das bedeutete bis zur Reformation: Bibel vorgelesen bekommen. Auf Lateinisch meist.
Stellen Sie sich einmal vor, wie bedauerlich es wäre, wir bekämen einen Liebesbrief auf Lateinisch. Martin Luther übersetzte die Bibel ins Deutsche, denn sie sollte nicht länger nur von Profis und Priestern gelesen werden können.
Der Buchdruck und die Reformation brachten die Demokratie ins Lesen! Plötzlich waren die großen Geschichten zugänglich. Alle, die lesen konnten, konnten jetzt in ihrer Muttersprache lesen.
Und was lesen wir in der Bibel? Originelle Gedanken, die mehr wissen als wir. Zeilen, die über uns hinaus reichen. Worte voller Gottvertrauen, die uns tragen können.
Diese Worte erzählen von Auferweckung, wo unsere Erfahrung nur bis zum Tod reicht.
Diese Worte mahnen eindringlich zum Frieden, wo wir schnell denken, es gebe zum Krieg keine Alternative. Diese Worte werben ausdauernd um die Liebe, wo ich denke, es reicht, dass ich mir Mühe gebe.
Die Bibel ist eine Autorität, aber keine, die einfach autoritär einen Text diktiert, uns ihre Meinung aufdrückt. Sie ist eine echte Autorität, die es riskieren kann, in den Dialog zu gehen.
Bibel-Lesen ist ein Gespräch zwischen Text und uns.
Und wir bringen mit unserem Leben den Text zum Sprechen. Die Gegenseitigkeit ist wichtig.
Die Bibel hat keine leeren Seiten.
Und wir sind auch keine unbeschriebenen Blätter.
Wir sind beschrieben mit unserer Geschichte.
Wir haben unsere eigenen Worte.
Aber die Bibel erzählt uns ihre Geschichte. Sie widerspricht, lockt, sie unterbricht, ermutigt, wirbt, deckt auf, deckt zu, lädt ein, öffnet, schenkt.
Läuft alles normal, lernen wir heutzutage hier bei uns Lesen und Schreiben in der Grundschule. Aber: Etwa 16% der erwachsenen Weltbevölkerung sind Analphabeten. Es ist also ein Privileg, lesen zu können! Nicht selbstverständlich.
Großartig, wenn man es kann!
Daher: Bitte lest! Bitte schreibt. Ihr Eltern und Großeltern und Paten, lest Euren Kindern Geschichten vor. Ihr alle, lest, erzählt weiter und weist Euch hin auf die guten Erzählungen. Verleiht und verschenkt Bücher, denn damit legt man sich einen Fundus an. Wirklich.
Wer wären wir ohne Bücher? Ohne dieses Buch, die Bibel? Ohne unsere liebste alte Dame!
Mit herzlichen Grüßen Ihr Pfarrer Thomas Uecker