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Kirchentag

Freitag auf dem Kirchentag: Gottesdienst mit Chatbot „ChatGPT“

Künstliche Intelligenz

Wir wirkt ein Gottesdienst, der mit Künstlicher Intelligenz gestaltet wird?

Einen Gottesdienst, der mit künstlicher Intelligenz (KI) gestaltet wird, soll auf dem Kirchentag in Nürnberg präsentiert werden. Die Worte wird der Chatbot „ChatGPT“ verfassen, die Kirchenmusik wird ebenfalls per KI komponiert. Die Gottesdienst-Referentin in der EKHN hat sich Gedanken über die Chancen und Risiken gemacht.

(epd/red). Die Predigt kommt aus den Lautsprechern in der Kirche. Zu hören ist ein digitaler Sprachassistent. Die Gottesdienstbesucher schauen während des Segens zwar in Richtung des Altars, doch anstatt eines Pfarrers erblicken sie einen Bildschirm. Darauf wird das Gesprochene in kreisrunden Schwingungen visualisiert. Geschrieben wurde der Text von ChatGPT, einem sprach- und textbasierten Chatbot, der auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert. Diese Szenen, die man eher in einem Film vermutet hätte, sollen auf dem Kirchentag in Nürnberg im Juni 2023 Wirklichkeit werden.

Zur Veranstaltung „Alexa, starte den Gottesdienst!“ – Freitag, 11 Uhr

Computergenerierte Texte und Musik im Gottesdienst

Der Wiener Theologe Jonas Simmerlein wird diesen Gottesdienst erstellen. „Alles, was man im Gottesdienst hört, stammt aus den neuronalen Netzwerken von ChatGPT“, sagt er. „Wenn alles nach Plan läuft, ist kein Mensch zu sehen.“ Neben den computergenerierten Texten, die Simmerlein visualisieren lässt, wird auch die Kirchenmusik von einer KI komponiert. Dazu lädt er bestehende Kirchenlieder in ein Programm hoch, das daraus eine neue Komposition schafft.
In dem von ChatGPT geschriebenen Eröffnungsgebet habe er keine Änderungen vorgenommen, sagt Simmerlein. Trotz ab und an auftretender Irritationen sei er mit dem Gebet zufrieden. „Man merkt, das Programm versteht nicht genau, was es da tut.“

Frage nach der Medienkompetenz

Was auf dem Kirchentag passieren soll, wird derzeit in der Theologie diskutiert. Pfarrerin Pia Baumann, Referentin für Gottesdienst im Zentrum Verkündigung der EKHN, ist  grundsätzlich erstmal offen für neue Erfahrungen und neue Technologien. Sie sagt: „Es gibt die KI und Menschen benutzen sie oder werden es tun, auch Pfarrerinnen, Vikarinnen, Prädikantinnen usw.“ Dahinter komme man nicht mehr zurück. Wie bei so vielem stehen für sie vielmehr die Frage im Raum: „Wie kann diese neue Technologie gut und hilfreich eingesetzt werden? Wie komme ich als Nutzerin an die nötige Medienkompetenz, um verantwortungsvoll und gewinnbringend mit diesem  `Tool´ umzugehen?“

Die Vorteile und Chancen

Anna Puzio, Theologin und Technikanthropologin der Universität Twente in den Niederlanden, sieht großes Potenzial im Einsatz von KI in der Kirche. Ein Feld, das theologisch noch nicht hinreichend beforscht sei, sagt sie. Auch Puzio wird bei dem KI-Gottesdienst auf dem Kirchentag dabei sein.
Vorteile der KI könnten in den grundsätzlichen Stärken technischer Produkte liegen. Zum Beispiel könnten kranke Menschen, die sonst nicht am Gottesdienst teilnehmen können, durch technische Fortschritte ein authentischer Zugang gewährt werden. „Die Technik sollte keine zwischenmenschlichen Beziehungen ersetzen, sondern Kirche inklusiver gestalten“, sagt Puzio.

Gottesdienst-Referentin Baumann sieht im Moment den Nutzen vor allem bei der Predigtvorbereitung. An der Technologie schätzt sie: „Jederzeit schnell und unkompliziert an Hintergrundinformationen zu Predigttext und Predigtthema zu kommen, finde ich großartig. Schließlich hat nicht jede/r eine gut sortierte Bibliothek zur Hand. Ich würde und werde die KI als Ideenpool nutzen, so wie ich es mit klassischen Predigtmeditationen ja auch mache.“ Durch die KI käme sie schneller an die Infos.

Die Risiken und Nachteile

Einigkeit besteht darüber, dass die neue Technik mit Vorsicht zu genießen sei. Das Programm liest vorhandene Daten aus aller Welt aus, erklärt Simmerlein. Woher diese Daten kommen, sei unklar. Zudem beruhten sie nicht zwangsläufig auf ethischen Kriterien: „Über jede Art von Technik verfügt ein Entwickler oder Hersteller.“ Daraus resultierten ein finanzielles Interesse sowie Unklarheiten zur Datensicherheit.

Auch Pfarrerin Baumann hat kritische Aspekte entdeckt: „Die KI arbeitet nicht fehlerfrei. Ich kann als Nutzerin nicht nachvollziehen, woher genau die KI ihre Daten bezieht. Als Nutzerin brauche ich eine solide Wissensgrundlage, um die Informationen, die die KI zur Verfügung stellt bzw. um die Texte, die sie generiert, beurteilen und einschätzen zu können.“ Pfarrer:innen müssten sich fragen: Ist das theologisch richtig? Kann ich das theologisch und ethisch verantworten? Die evangelische Gottesdienst-Referentin betont: „Das bedeutet, mein Wissen und meine Kompetenz als Pfarrerin und Theologin sind weiterhin gefordert.“

Mensch statt Maschine: Theologisches Denken einordnen

Diese Auffassung vertritt auch Pfarrer Jörg Niesner aus dem hessischen Laubach. Er betont ebenso die Notwendigkeit gut ausgebildeter Pfarrerinnen und Pfarrer, die im grundsätzlichen Verständnis von Schrift und Theologie geschult sind. Theologisches Denken müsse korrekt eingeordnet werden. Er sieht den Pfarrberuf durch die KI nicht in Gefahr. Niesner engagiert sich auch in der digitalen Kirche in den sozialen Medien.

Authentizität von Pfarrer:innen ist unersetzlich

Laut Pfarrer Niesner sei ein Gottesdienst sei nicht bloß Verkündigung, sondern auch Seelsorge. Die Authentizität von Pfarrerinnen und Pfarrer werde durch eine KI nicht zu ersetzen sein. Das ist auch ein entscheidender Punkt für Pfarrerin Baumann: „Wenn ich predige, dann gebe ich sehr viel von mir selbst in die Predigt hinein. Meinen Glauben, meine Zweifel, meine Erfahrungen, meine Ängste und meine Hoffnungen.“  Die oder der Predigende zeige sich verletzlich, wenn sie oder er vom Glauben erzähle.  Pia Baumann macht deutlich: „Ich wage etwas. Das gilt auch für die Gebete, die ich schreibe.“ Die KI gehe hingegen kein Wagnis ein. Sie glaube nicht, hoffe nicht, liebe nicht. „Bisher zumindest“, schmunzelt sie.

Rolle des ChatGPT und Herausforderungen bei Prüfungen

Auch Simmerlein sieht die KI zukünftig in einer assistierenden Rolle. Der Sprachchat könnte als Predigtassistent fungieren. Niesner hält ChatGPT als Unterstützungssystem zur Erschließung neuer Quellen und Texte auch außerhalb des eigenen theologischen Wissens für überaus nützlich. Gerade Laienprediger könnten davon profitieren, sagt der Pfarrer. Auch für die individuelle Frömmigkeit sei es hilfreich. Menschen könnten mithilfe der KI zu einem bestimmten Thema ein Gebet formulieren, regt Niesner an. Inwieweit ehrenamtliche Prädikant:innen und Lektor:innen die KI anwenden werden, werde sich laut Pia Baumann noch zeigen. Eventuell müsse sich einiges bei den Prüfungen ändern. Sie erklärt: „Von angehenden Prädikantinnen und Vikarinnen wird gefordert, dass sie ihre Prüfungsarbeiten, -predigten etc. selbständig erarbeiten und formulieren. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das durch den Einsatz von KI für eine Prüferin nicht mehr nachzuvollziehen. Aber das betrifft ja nicht nur die theologische Ausbildung, sondern alle Ausbildungsstätten, Schulen und Universitäten. Da braucht es neue Regularien.“

Glaube in der digitalen Welt

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