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Unsere Orgeln

Die Orgel der Evangelischen Schlosskirche Hadamar und ihre Vorgängerinstrumente

Leider sind die historischen Quellen für die Orgel in der Schlosskirche oft widersprüchlich und lückenhaft.  

Die erste Orgel:

Tatsache ist, dass die Schlosskirche in Hadamar von Fürst Johann Ludwig von Anfang an mit einer Orgel geplant wurde, was in dieser Zeit keineswegs für alle Kirchen selbstverständlich war und das darauf hindeutet, dass der Fürst seine Schloss- oder Hofkirche entsprechend standesgemäß und prächtig einrichten wollte.

So schloss Fürst Johann Ludwig bereits im Dezember 1629 (1629 wurde die Schlosskirche noch gebaut) einen Vertrag mit dem Orgel- und Instrumentenmacher Johann Jacob Keller aus Kiedrich im Rheingau ab. Der Orgelbauer Jakob Keller wollte für den Bau der Orgel 100 Reichsthaler erhalten. Wenn der Fürst ihm allerdings Kost und Materialien stellen würde, wäre er auch mit 50 Reichsthalern zufrieden. Das Angebot wurde angenommen und es wurde ihm am 18.12.1629 eine Abschlagzahlung genehmigt. Schon wenige Tage später, am 02.01.1630 erhielt der Orgelmeister Martin Weinle in Kiedrich für das neue Positiv 25 Reichsthaler (Weinle arbeitete offensichtlich mit Keller zusammen).  

Das Aussehen dieser ersten Orgel war wie folgt:

10 Schuh hoch, 4 Schuh breit, 2 Schuh tief (das Schuhmaß variiert zwischen 25 und 35 cm), das Orgelgehäuse wurde aus gutem Eichenholz gefertigt. Der Schreiner Lorenz Roth aus Hadamar baute dann an der Orgel noch einen Unterschlag und verkleidete die Blasebälge mit einem zwei-türigen Schrank. Das Orgelgehäuse wurde von dem Maler Wilhelm Bemer aus Limburg farbig gefasst. Das Pfeifenwerk aus Blei, welches mit Zinn versetzt wurde, hatte sechs Register. Die nötige Luft erzeugten drei Blasebälge.

Die Disposition der Johann Jacob Keller Orgel von 1630:

  1. Quintatön 8‘
  2. Copell 4‘
  3. Hohlflöte 4‘
  4. Octave 2‘
  5. Zimbel 1‘
  6. Krummhorn 8‘

        Tremulant und Zimbelstern

 

Da die Schlosskirche für den protestantischen Ritus geplant wurde, aber Fürst Johann Ludwig während der Bauphase zum katholischen Glauben konvertierte, mussten während der Bauphase einige Korrekturen an der Ausstattung der Kapelle veranlasst werden. Dies betraf aber offensichtlich nicht die Orgel. Es gibt keine Unterschiede zwischen katholischen und protestantischen Orgeln, ein architektonisches Merkmal, dass man in protestantischen Schlosskirchen gerne Altar, Kanzel und Orgel als eine Einheit baute, war in Hadamar ohnehin von Anfang an nicht geplant.

Die Orgel sollte schon immer ihren Standort auf der Empore erhalten, wahrscheinlich aber auf der ersten Empore (erst 1786 wurde die Orgel auf die oberste Ebene versetzt). Es kann gut sein, dass die 2. Empore ursprünglich für den Fürsten und dessen Familie reserviert war, schließlich führt der schnellste Weg von der Fürstenwohnung in die Schlosskirche über das große Treppenhaus eine halbe Treppe abwärts direkt durch die obere Seitentür, die aus Sicht des Treppenhauses eine besonders prächtige Illusionsmalerei besitzt und sich damit als Fürstentür zu erkennen gibt.  

Weitere Nachrichten über die Orgel:

Als die Jesuiten im 18. Jahrhundert, also post mortem, eine Vita über Fürst Johann Ludwig schrieben, lobten sie den Fürsten, dass er seine Hofkirche mit einer Orgel ausstatten ließ.  

Es bildet sich wieder eine protestantische Gemeinde in Hadamar

Ab 1747 wurden in Hadamar wieder reformierte Gottesdienste gefeiert, weil das Fürstentum an die reformierte Linie Nassau-Diez gefallen war. Zunächst traf man sich in einem Raum im Rathaus am Obermarkt. Am 21.08.1752 verfügte die verwitwete Prinzessin von Oranien-Nassau, Vormündin des Prinzen Wilhelm V, per Dekret die Einsetzung eines eigenen protestantischen Geistlichen für Hadamar.

 

Die zweite Orgel:

Seit dem 18. Juli 1773 benutzt die reformierte Gemeinde eine Orgel, die ihr vom Fürsten Wilhelm dem V. von Nassau-Oranien geschenkt worden war. Im Jahr 1779 meldet das Fürstliche Oberkonsistorium, dass die Orgel in Hadamar baufällig sei und man dem Orgelbauer Boos aus Niederndorf den Auftrag gegeben habe, die Orgel dauerhaft zu reparieren – was in drei Wochen geschah, und 18 Reichsthaler kostete.

1786 wird die Schlosskirchenorgel durch Orgelbauer Zimmermann aus Diez repariert, der das Werk gleichzeitig in den obersten Stock versetzte, also den Standort, an dem sie auch heute noch steht.

Am 27.3.1791 wurde, durch eine Schenkung des Staates, die Schlosskirche offiziell der evangelisch-reformierten Pfarrei übergeben.

Es ist gut möglich, dass das Orgelgehäuse der heutigen Orgel aus genau dieser Zeit stammt. Stilistisch würde es gut in das ausgehende 18. Jahrhundert passen.  

Im Jahre 1864 besitzt die Orgel in der Schlosskirche nach einer Beschreibung von Pfarrer Schellenberg 19 klingende Register. Der Prospekt stammt seinen Angaben zu Folge aus dem vorigen, also dem 18. Jahrhundert. Die Orgel besaß einen Pedalkoppelzug und das Prinzipalregister wurde von ihm als besonders gut klingend gewürdigt.  

 

Die dritte Orgel:

Orgelneubau durch Raßmann

1880 baute Gustav Raßmann aus Möttau ein neues Werk in das alte Gehäuse.  

Die Disposition der Raßmann-Orgel von 1880:

Manual:

  1. Prinzipal 8’ (neu)
  2. Gedeckt 8’
  3. Salicional 8’
  4. Gedeckt 4’
  5. Prinzipal 4’ (Prospekt)
  6. Doublette 3+2
  7. Geigenprinzipal 8’

Pedal:

  1. Subbass 16’
  2. Offenbass 8’

Die Raßmann Orgel nutzte zwar auch das historische Gehäuse, alte Fotografien zeigen aber, dass sie sowohl rechts, als auch links, über den Prospekt hinaus ging. Um diesen Umstand zu verbergen, wurden die Felder oberhalb der Brüstung mit Brettern verdeckt.

1969 galt die Orgel als klanglich wenig ansprechend und defekt. Unter anderem waren die Windladen gerissen, was bei einer Orgel im Grunde als Totalschaden gilt. Der Prinzipal 4‘, das Prospektregister der heutigen Orgel stammt aber noch von Raßmann, da Günter Hardt ihn für den Orgelneubau 1971 übernommen hat. Die übrigen Register wurden an die evangelische Kirchengemeinde Wallmerod verschenkt, wo sie auch heute noch in der Orgel stehen und ihren Dienst verrichten. Sie wurden allerdings stark überarbeitet und erinnern kaum noch an einen typischen Orgelklang einer Raßmann Orgel von 1880.

 

Die vierte Orgel:

Der damalige Orgelsachverständige der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Hans Brendel, befürwortete einen Orgelneubau und hatte die Idee, dass dieser Orgelneubau große Rücksicht auf den noch erhaltenen historischen Prospekt aus dem 18. Jahrhundert nehmen sollte. Zwei Manuale sollte die Orgel erhalten, deren Pfeifenwerk sollte sich wieder komplett hinter dem recht kleinen barocken Prospekt einfügen. Das Pedalwerk, das durch die großen Pfeifen besonders viel Platz beansprucht, sollte samt Motor und Balg hinter einem Holzverschlag in der hintersten Ecke der Empore versteckt werden, so dass von unten nur das historische Gehäuse sichtbar ist.

Dieses Bauvorhaben setzte dann Orgelbaumeister Günter Hardt, aus Möttau, dessen Werkstatt in der Nachfolge von Gustav Raßmann steht, um.

Am 25. April 1971 wurde das Instrument seiner neuen Bestimmung offiziell übergeben. Universitätsdirektor Dr. Martin Weyer, Kantor an der Elisabeth-Kirche zu Marburg, spielte zur Einweihung ein festliches Konzert.  

Die Dispostion der Günter Hardt Orgel von 1971

I Manual: C-g’’’

  1. Hohlpfeife 8’
  2. Prinzipal 4’
  3. Flöte 4’
  4. Salicional 2’
  5. Oktave 2’
  6. Quinte 1 1/3’
  7. Mixtur 3fach 1 1/3

II. Manual: C-g’’’

  1. Gemshorn 8’
  2. Koppelflöte 4’
  3. Waldflöte 2’
  4. Tertianscharf 3-4 fach

Pedal C-f’

  1. Subbaß 16’
  2. Offenbaß 8’
  3. Nachthorn 4’
  4. Trompete 8’

Zimbelstern

3 Normalkoppeln, je ein Tremulant für beide Manuale

 

Kostenvoranschlag vom 16.11.1967: 52.203 DM

Schlussabrechnung: 70.214 DM

Die Orgel besitzt ca. 1000 Pfeifen

Im Jahr 1982 gab es eine umfassende Kirchenrenovierung mit Orgelausbau und anschließender Reinigung der Orgel. 1986 wird das Schloss, vor allem die Räume über der Schlosskirche, renoviert, wobei sich durch Erschütterungen Putzteile von der Decke lösen und auf die Orgel fallen und dabei die Orgel beschädigen. Im Jahr 1993 gibt es daraufhin eine Orgelreinigung mit Erneuerung der Pedaltrakturen (Kosten: 18.400 DM; Kosten Pedalmechanik: 13.400 DM). Die Kosten für die Reinigung nebst Reparatur trägt das Finanzamt Gießen. Im Jahr 2003 wird die Kirche abermals renoviert und auch bei dieser Renovierung wird die Orgel beschädigt und Reparaturen am Pfeifenwerk müssen vorgenommen werden.

 

Von wann und von wem stammt der schöne historische Prospekt der Orgel?

Von wem und von wann der schöne historische Prospekt der Orgel stammt, wird man wohl nie mehr abschließend klären können. Als sicher kann gelten, dass der Prospekt nicht aus dem 17. Jahrhundert stammt, also aus der Erbauungszeit der Schlosskirche. Auch wenn die Orgel auf den ersten Blick mit den reich verzierten Emporen ein schönes Gesamtbild abgibt, so fällt bei näherer Betrachtung doch auf, dass sie im Gegensatz zu diesen, aus einer anderen Epoche stammt. Die Empore weist an den Übergangstellen zur Orgel hin Störungen auf, die darauf hindeuten, dass hier im Nachhinein die Brüstung ausgesägt wurde, um Platz für den Orgelprospekt zu schaffen. Ferner erwähnt Pfarrer Schellenberg, dass die Orgel im Jahr 1864 19 Register besitzt und dass der Prospekt aus dem 18. Jahrhundert stammt.  

Florenz Wang?

Hans Brendel, der Orgelsachverständige, der den Orgelneubau aus dem Jahr 1971 zu verantworten hat, tippt auf den im 18. Jahrhundert in Hadamar wohnenden Orgelbauer Florenz Wang. Brendel schreibt:  Der schöne kleine Barockprospekt stammt meiner Vermutung nach aus der Werkstatt des Hadamarer Orgelbauers Wang. Dieser Orgelbauer ist Ihnen von der Orgel in Haiger her bekannt. Hinter diesem alten Prospekt stand ursprünglich lediglich ein einmanualiges Brüstungsinstrument ohne Pedal mit etwa der Hälfte der jetzt vorgesehenen Registerzahl.

Florenz Wang wurde am 20. Februar 1742 in Hadamar beerdigt, die Herkunft wird mit „Luxemburgensis“ angegeben, er stammte also aus Luxemburg. Bereits 1708 und 1713 ist Wang als Pate in Hadamar nachweisbar. Es sind in der Tat einige Orgelprospekte des Orgelbauers Wang erhalten (Haiger, Dillenburg, Emmerichenhain), doch allzu groß ist die Ähnlichkeit mit dem Hadamarer Prospekt nicht. Es sollte auch zu denken geben, dass der Name Wang in den erhaltenen Quellen zur Schlosskirchenorgel niemals erwähnt wird.

Vermutlich ist der Hadamarer Prospekt doch eher im späten 18. Jahrhundert entstanden. Es gibt nämlich ein Foto eines Plans der Schlosskirche, der vermutlich zwischen 1864 und 1880 entstanden ist, auf dem zu erkennen ist, dass die Orgel ursprünglich noch zusätzliche Schleierbretter besaß, die Vorhänge darstellten und in der Mitte zu einem Wappen zusammenliefen. Das Foto ist sehr klein, auch etwas unscharf und der Originalplan leider nicht mehr auffindbar, auch konnten bisher keine weiteren Abbildungen gefunden werden, die diesen Bauzustand dokumentieren. Auch wenn es beim Betrachten heutzutage gar nicht auffällt, dass die Schleierbretter ursprünglich größer waren, so sind bei näherer Betrachtung, an den entsprechenden Stellen, die Sägespuren doch deutlich zu erkennen. Eigentlich schade, dass dieser Bauzustand nicht mehr existiert, bzw. dass man dieses originale Aussehen nicht wiederherstellen kann. Vermutlich wurden die Verzierungen beim Bau der Raßmann Orgel im Jahr 1880 verstümmelt. Alles in allem erinnert aber gerade dieser Befund an das späte 18. Jahrhundert, auf jeden Fall verändert er den optischen Gesamteindruck beträchtlich.  

Georg Friedrich Zimmermann?

Deswegen macht es Sinn noch einmal auf einen anderen Orgelbauer zu schauen. Es wurde ja bereits berichtet, dass 1786 der Orgelbauer Georg Friedrich Zimmermann die Orgel reparierte und in den obersten Stock (also die zweite Empore) versetzte. Auch wenn sich zunächst einmal die Begrifflichkeit „reparierte“ nicht nach einem Neubau des Prospekts anhört, so stellt das Versetzen einer Orgel doch auf jeden Fall einen umfassenden Eingriff dar. Eine Orgel lässt sich ohne komplette Demontage ohnehin nicht versetzen. Auch sollte das Datum der Maßnahme zu denken geben. 1791 übernahm die evangelische Gemeinde offiziell die Schlosskirche. Vorher fanden aber in dem Kirchraum ganz offensichtlich umfassende Umbaumaßnahmen statt, die den Raum eindeutig für den protestantischen Ritus herrichten sollten und die ihn auch stilistisch als zeitgemäß erscheinen lassen sollten. So stammt auch die Kanzel aus genau dieser Zeit und wurde ganz offensichtlich kurz vor 1791 eingebaut. Auch hier hat man sich nicht an den renaissancezeitlichen Emporen orientiert, sondern, ganz bewusst dem Geschmack der Zeit gemäß gestaltet. Man kann davon ausgehen, dass alle diese Maßnahmen eben auch ca. 5 Jahre vor der offiziellen Übernahme der Kirche begonnen haben können. Georg Friedrich Zimmermann war Schreiner und Orgelmacher in Diez. Drei Jahre ist er in Frankfurt bei dem Orgelbauer Köhler zu Lehre gegangen und wurde nach einem Bericht „in Hadamar, Limburg und hiesiger Gegend zum Reparieren der Orgeln gebraucht und soll die Arbeit gut machen“. Er fertigte 2 Hausorgeln (Hadamar und Camberg) und reparierte 1766/1786 zahlreiche Orgeln im Bereich der mittleren Lahn. Umbauten von Instrumenten sind in Diez und Freiendiez überliefert.  

An der Orgel der Ev. Schlosskirche Hadamar spielt überwiegend Dekanatskantor Martin Buschmann.

Martin Buschmann 

 

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Die Orgel der Ev. Schlosskirche Hadamar und ihre Vorgängerinstrumente

weitere Musikinstrumente:

Orgel Frickhofen

Truhenorgel

Cembalo

 

 

 

 

 

 


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